EGCG

AL-Amyloidose und EpiGalloCatechin-3-Gallat: 4 Jahre und 5 Monate später

Werner Hunstein, Februar 2011

In einem Brief an den Editor-in-Chief von Blood im Mai 2007 fragte ich: "EGCG bei Amyloidose: eine neue therapeutische Option?" (1). Diese Frage ist inzwischen mit einem klaren JA! zu beantworten. EGCG wird inzwischen auch von Prof. Giampaolo Merlini, Pavia, als Therapie-Möglichkeit anerkannt. Er ist ein hervorragender Kenner dieser seltenen Erkrankung und hat mir kürzlich den Ehrentitel "Vater der EGCG Anwendung bei AL-Amyloidosen" verliehen. Er stellte fest: "seine klinische Beobachtung öffnete das Tor zu translationaler Forschung" (pers. Mitteilung).

Wegen der zu erwartenden Nebenwirkungen der geplanten zweiten Chemotherapie (nach Behandlung mit dem Palladini Schema) befolgte ich im September 2006 den Rat meines behandelnden Arztes und früheren Mitarbeiters Prof. Antonio Pezzutto, jetzt Charité Berlin, nunmehr einen Behandlungsversuch mit grünem Tee wegen seines Gehaltes an EGCG zu wagen.

Er hatte die in vitro-Wirksamkeit von EGCG auf Amyloide durch einen Vortrag von Prof. Erich Eberhard Wanker, Max Delbrück-Zentrum Berlin, erfahren, sowie den Hinweis, EGCG sei als Hauptphenol reichlich im grünen Tee enthalten. Also trank ich ab sofort 1,5-2,0 l/Tag grünen Tee. Nach Mühen konnten wir einen EGCG-Gehalt von 400-600 mg nachweisen. Diese Menge führte, wie wir ebenfalls herausfanden, zu Blut-Plasma-Spiegeln von 117-236 ng/l EGCG.

Es resultierte schon nach kurzer Zeit eine unglaubliche, nahezu wundersame subjektive und objektive Besserung meines Krankheitsbildes, wie in Blood (1) beschrieben: meine verdickte Zunge normalisierte sich, ebenso die klossige Sprache. Das verdickte intraventrikäre Herzseptum (IVS) bildete sich Monat für Monat zurück; die Schlagkraft besserte sich, wie von meinem ausgezeichneten Heidelberger Kardiologen Mereles beschrieben (2). Ich konnte wieder lange Spaziergänge machen und genussvoll Schwimmen. Als zuverlässiges Zeichen der Krankheitsaktivität traten am Ende der Palladini Zyklen, also schon nach 4 Wochen, jeweils Zahnfleischblutungen auf, sowie Hautblutungen. Auch dieses Symptom verschwand. Es lösten sich meine therapiebedingten Geschmacksstörungen ebenso auf, wie die schwere Depression; die Schlaflosigkeit-trotz starker Erschöpfung.

Leider verschlechterte sich meine Nierenfunktion nach zweijähriger EGCG Behandlung im Dezember 2008 sehr schnell. Dies ist in diesem Tempo, in dieser Schnelligkeit im Gefolge einer jeden, fortdauernden Eiweiss-Ausscheidung von über 1,0 gr/24 Std. (in meinem Fall 5,0-6,0 gr/24 Std.) zu erwarten. Sie tritt u n a b h ä n g i g von der Art der vorausgehenden Nierenerkrankung ein (3).

Seit Januar 2009 betreut mich Prof. Vedat Schwenger vom Heidelberger Univ. Nierenzentrum höchst kompetent bei meinen ambulanten, häuslichen Peritoneal-Dialysen.

Um die Folgen der Dialysen auf meine gesunkenen EGCG Blutspiegel durch erwiesene Auswaschung zu beheben, erhöhte ich die EGCG Dosis auf 3x 450 mg grüne Tee-Extraktkapseln (GTE) plus Zusatzmedikation von Piperin= Extrakt aus schwarzem Pfeffer zur Resorptions-Förderung und Vitamin C zur Stabilisierung des leicht flüchtigen, volatilen EGCG, gemäss Altland et al. (4). Ein Trinken von grünem Tee war schon wegen der Niereninsuffizienz mit Flüssigkeitsbegrenzung nicht mehr möglich.

Inzwischen waren die Untersuchungen, auf die sich mein Selbstversuch gestützt hatte, publiziert: Amyloidfibrillen von denaturierten Proteinen, wie Amyloid-β und α-Synuclein werden nicht mehr gebildet (5). Zudem kann EGCG schon gebildetes Amyloid auflösen (6). Bieschke et al. (7, siehe auch seinen Beitrag auf dieser website) bewiesen die Umbildung von Amyloid-β Fibrillen und damit einhergehend eine Reduktion der Toxizität in Zell-Kulturen.

Es steht zu hoffen, dass diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse Allgemeingut werden. Ebenso, dass sich EGCG vom Nahrungsergänzungs- Mittel zu einem Pharmakon entwickelt.


Literatur

1. Hunstein W. Epigallocatechin-3-gallate in AL amyloidosis: a new therapeutic option? Blood. 2007;110(6): 2216.

2. Mereles D, Wanker EE, Katus HA. Therapy effects of green tea in a patient with systemic light-chain amyloidosis. Clin Res Cardiol. 2008(5);97:341-344.

3. Burton C, Harris KP. The role of proteinuria in the progression of chronic renal failure. Am J Kidney Dis. 1996;27(6):765-775.

4. Altland K, Schreiner R, Hunstein W. Of green tea, black pepper and amyloidoses. Online publication, 2009. www.ukgm.de

5. Ehrnhoefer DE, Bieschke J, Boeddrich A et al. EGCG redirects amyloidogenic polypeptides into unstructu- red, off-pathway oligomers. Nat Struct Mol Biol. 2008;15(6):558-566.

6. Hauber I, Hohenberg H, Holstermann B et al. The main green tea polyphenol epigallocatechin-3-gallate counteracts semen-mediated enhancement of HIV infection. Proc Natl Acad Sci U S A. 2009;106(22): 9033-9038.

7. Bieschke J, Russ J, Friedrich RP et al. EGCG remodels mature alpha-synuclein and amyloid-beta fibrils and reduces cellular toxicity. Proc Natl Acad Sci USA. 2010;107(17):7710-7715.

N.B.: Prof. Dr. Werner Hunstein verstarb am 16. Februar 2012 in Heidelberg. Die erste randomisierte klinische Studie über EGCG bei kardialer AL Amyloidose startete 2012 in Pavia, Italien, unter der Leitung von Prof. Merlini und Dr. Palladini, und rekrutiert zur Zeit Teilnehmer (siehe ClinicalTrials.gov: EpiCardiAL).